Ist es möglich ein Kind zu enterben?
Ein Testament offenbart wer nach dem Tod des Erblassers erben oder vom Erbe ausgeschlossen werden soll. Doch selbst mit diesem Vermächtnis ist der letzte Wille oftmals nicht sofort eindeutig feststellbar. Der Testamentsinhalt muss handschriftlich verfasst sein, so die Regel, d.h. ein mit dem Computer verfasster Ausdruck ist nicht legitim, auch dann nicht wenn er von Hand unterschrieben wurde.
Gesetzliche Erbfolge
Die gesetzliche Erbfolge greift, sofern kein Testament besteht bzw. dieses ungültig ist. Geregelt ist der Ablauf in den § 1924 bis 1936 BGB, dabei kommen als gesetzliche Erben vorrangig der überlebende Ehegatte und die nächsten Verwandten in Betracht. Die Unterscheidung erfolgt zwischen Erben erster bis fünfter Ordnung; zunächst erben die nähesten Verwandten - also Kinder und Enkel - es folgen Geschwister, Neffen und Nichten, schließlich erben Onkel und Tanten sowie Cousins und Cousinen. Grundsätzlich gilt gemäß dem im BGB festgelegten Parentelsystem, dass Verwandte einer Ordnung erst dann erben, wenn die Erben der vorangehenden Ordnung nicht mehr leben. Ein Erbe 2. Ordnung wird also erst Erbe, sofern kein Erbe der 1. Ordnung mehr am Leben ist.
Nicht erwähnte Personen sind generell enterbt
Jede Person, die nicht als Erbe im Testament eingesetzt wurde, ist generell enterbt. Bestimmt ein Vermächtnis beispielsweise, dass der überlebende Ehegatte erben soll oder eines der Kinder, dann sind im Fall des als Erbe eingesetzten Ehepartners die Kinder enterbt, im Fall des als Erbe bestimmten Kindes sind die Geschwister und (soweit noch vorhanden) der Ehegatte enterbt. Unabhängig davon bleibt der Anspruch auf den Pflichtteil bestehen.
Berliner Testament
Viele Ehepaare finden Gefallen am Berliner Testament. In diesem gemeinsamen Vermächtnis setzen sich die Eheleute gegenseitig als Vollerben ein und bestimmen, dass nach dem Tod des länger lebenden Partners der beiderseitige Nachlass an einen Dritten, im Regelfall an die Kinder, fallen soll.
Bei dieser Variante ist die Versteuerung zu beachten, denn das Vermögen des Erststerbenden unterliegt zweimal der Erbschaftssteuer. Erstmals beim Erwerb durch den überlebenden Ehegatten und - soweit es nach dessen Tod noch vorhanden ist - noch einmal beim Erwerb der Schlusserben. Die Freibeträge der Kinder bleiben nach dem ersten Erbfall ungenutzt. Der Nachlass des Letztversterbenden besteht aus dessen eigenem und dem vom verstorbenen Ehegatten geerbten Vermögen, sodass bei größeren Besitztümern die Freibeträge der Kinder überschritten werden können. Bevor ein Berliner Testament konkretisiert wird, sollte im Vorfeld bei einem hohen Vermögen unbedingt steuerlicher Rat eingeholt werden. Bei kleinerem Vermögen ist diese Option unbedenklich.
Können Kinder enterbt werden?
Wie bereits erwähnt, können Kinder enterbt werden, haben aber dann noch immer Anspruch auf ihren Mindestanteil, ihren sog. Pflichtteil. Wer allerdings davon spricht, seine Nachkömmlinge enterben zu wollen, meint gemeinhin, dass der Nachwuchs gänzlich leer ausgehen soll, also auch ohne Pflichtteil. Dieser kann nur in ganz bestimmten Fällen entzogen werden, geregelt ist dies im § 2333 BGB.
Konkreter Sachverhalt
Das Landgericht Lübeck war beauftragt bei einem Streit um das Erbe den Willen einer Verstorbenen zu ermitteln. Der Fall: Die Mutter einer verkrachten Familie hatte handschriftlich ein Schreiben aufgesetzt, in dem sie einem ihrer Kinder den Pflichtteil entzog. Einige Jahre später verfasste sie maschinell eine neue Version, wonach im Falle ihres Todes ein Kind ihr gesamtes Vermögen und das Grundstück erhalten und das andere Kind vom Erbe ausgeschlossen werden sollte.
Streit um das Erbe
Nach dem Tod der Mutter kam es zwischen den Geschwistern zum Streit um das Erbe. Während das enterbte Kind der Auffassung war, es liege kein wirksames Testament vor, war das andere der Meinung, es sei mit dem Schreiben der Mutter als alleiniger Erbe eingesetzt worden. Das Gericht entschied, dass ein gültiges Testament vorliegt, in dem ein Kind enterbt wird. Zwar sei das maschinell erstellte Dokument kein gültiges Testament, könne aber zur Interpretation des handschriftlichen Schreibens herangezogen werden, so die Ausführung des Gerichts.
Enterbung aufgrund körperlicher Misshandlung
Das Landgericht Lübeck entschied mit Az. 6 O 203/22 v. 13.12.2023, dass die Enterbung des Sohnes wirksam ist, da das Kind, das die Mutter enterben und dem sie auch den Pflichtteil entziehen will, sie körperlich misshandelte und mehrfach Todesdrohungen ausgestoßen hat. In die Entscheidung der Richter flossen familiäre Umstände, als auch frühere dahingehende Äußerungen der Mutter ein. Hiermit handelt es sich um einen der Fälle, in dem es möglich ist, ein Kind zu enterben und ihm auch den Pflichtteil zu verweigern.